Ich bewundere und liebe die Natur. Ihre Geschöpfe sind an Schönheit und Weisheit nicht zu übertreffen. Daher versuche ich nicht, sie als Maler zu kopieren. Mich interessiert der Prozess der Erschaffung. Ich frage die Natur: wie hast du solche Werke geschaffen? Mit der Weisheit, der Dynamik und der Kraft der Farben frage ich sie stets nach diesem "wie". Fragen an den Schöpfer, an die "divina Natura", sind die Spiritualität meiner Bilder.
Zur Bildentstehung
In der Praxis beginnt dieser Weg mit einem spielerischen oder meditativen Umgang mit einem Farbklang. Jedes meiner Bilder ist ein Experiment, ein Versuch, den Farben Bewegung und Lebendigkeit zu geben. Für den Anfang wähle ich zwei oder drei Farben, die eine bestimmte Stimmung ergeben. Nach dünnem Auftragen auf das Papier, ergeben diese Farben dort, wo sie sich mischen Verdichtungen, die in sich die Möglichkeit einer Formgebung bieten. Es ist wie ein Angebot, das ich akzeptieren oder verwerfen kann. Das Malen besteht dann in einer langen Reihe solcher Entscheidungen, die viel Mut erfordern, weil beim Aquarellieren ein Zurückgehen oder Umentscheiden kaum möglich sind.
Das Denkelement, das an den Formen ansetzt und sich dem Prozess beimischen will, ist eine sekundäre Erscheinung, obgleich sie am Schluss dem Betrachter zum Bedürfnis wird. Er verlangt einen Titel, er stellt ein "Was ist das?". Dieses Element ist im Prozess verführerisch und muß gezähmt und bei der Arbeit zuerst vor die Tür gesetzt werden.
Erst durch die Stufen von Klang, Rhythmus und Bewegung gewinnen die Farben an Intensität, so dass dann das Formen deutlicher auftreten dürfen. Nun kann wirklich ein Bild geboren werden!
Meine Aufgabe besteht darin, den kreativen Prozess im richtigen Moment zu stoppen, die “Nabelschnur“ zu mir zu zerschneiden. Nun erscheint die existenzielle Frage: Wann ist dieser "richtige" Moment? Wann darf das Bild, etwa für eine Ausstellung, entlassen werden? Wann darf das motivische Element hereingelassen werden und dem Ganzen seine letzte Prägung geben?
Der fremde Betrachter sollte jetzt in den Prozess mit einbezogen werden, als Mitarbeiter, Mitschöpfer vom Bild eingeladen. Diese Aufgabe gibt mir das rechte Maß für den richtigen Moment. Zu diesem Zeitpunkt sollte das Bild mehr sein, als bloßes Entertainment. Es sollte ihr und ihm die Möglichkeit bieten, selbst etwas zu imaginieren, zu erträumen. Erst dann darf es auch “entlassen“ werden.
Meine Bilder sind deshalb im richtigen Sinne dann fertig, wenn sie in der Seele des Betrachters Neugierde und Fragen zu wecken fähig sind. Nicht selten geschieht es deshalb, dass ich nach einer Ausstellung an einem bestimmten Bild weiter arbeite, weil ich festgestellt habe, dass es vom Publikum nicht wirklich aufgenommen wurde.
In einem Interview wurde ich gefragt: "Was ist Ihr Bestreben Herr Moreau"? Ich schloss meine Antwort an die Goethesche Bezeichnung von den "Taten und Leiden des Lichtes" wie folgt:
"Zu lauschen nach den Taten und Leiden des Lichtes, Zeuge sein seiner Gestaltungsgewalt im Reiche der Finsternis, diese zu ordnen und zu besiegen im Wolkensein der Farbenklänge und der Formen, das ist mein Bestreben. Durch die Transparenz des Bildes möchte ich den Blick freistellen für eine andere Realität, für eine solche, die sich nicht in die Dumpfheit des groben Materials hineinzwängen lässt. Den besonnenen Betrachter zum freudigen "Mitschöpfer" zu gewinnen, ist der eigentliche Drang meiner Bemühung, die von der heilenden Kraft der Kunst erzählen möchte."
Daniel Moreau